Kolumban und Gallus – irische Mönche missionieren den Kontinent

(stichwortartiger Auszug aus einem Referat von Dr. Magdalen Bless)

  • England steht bis 400 n. Chr. unter römischem Einfluss und ist christianisiert
  • Irland und Schottland werden von den Römern nicht beeinflusst, da für das Imperium uninteressant
  • Der Kontinent westlich des Rheins befindet sich ebenfalls unter römischem Einfluss und ist christianisiert. Der Papst residiert in Trier. Östlich des Rheins leben heidnische Germanenstämme
  • Ende 4. Jh Völkerwanderung: Hunnen fallen im Osten ein, Germanen weichen nach Westen aus. Sie beeinflussen wohl das Christentum, dh die Bewohner fallen wieder in heidnische Bräuche zurück.
  • In der Zeit der Völkerwanderung (Eindringen „barbarischer“, heidnischer Germanen in das wesentlich höher entwickelte römische Reichsgebiet) befindet sich das kontinentale Europa auf einem kulturellen Tiefpunkt. Daraus ragt Irland hervor, mit seinen Gelehrten. Nicht nur Iren, sondern auch bildungshungrige Briten und Kontinentaleuropäer studieren in irischen Klöstern.
  • Irland behält seine grosse keltische Kultur (nach der griechischen und lateinischen die bedeutendste Schriftkultur Europas)
  • Irland und Indien haben Gemeinsamkeiten: Irland ist westliches Randgebiet, Indien östliches Randgebiet des indogermanischen oder indoeuropäischen Kulturkreises. In Indien bilden Brahmanen die gesellschaftlich hoch angesehene Gelehrtenschicht, in Irland die Dichter und Druiden (der höchste Druide ist dem König ebenbürtig). Könige sind den Druiden eng verbunden und hören auf ihren Rat.
  • Gelehrte haben langjährige Ausbildung mit sehr viel Auswendiglernen hinter sich. Sie sind Hüter der mündlichen Tradition.
  • Das Christentum kommt in Irland erst später an als auf dem Kontinent, dafür aber kontinuierlicher. Irland bleibt von der Völkerwanderung unbehelligt. (5. Jh).
  • Schriftlich nachweisbar ist das Christentum in Irland erst seit dem 5. Jh (der hl. Patrick, aus Britannien, missioniert um 432 in Irland)
  • Patrick erwähnt in seinen Schriften Mönche. Ab dem frühen 6. Jh ist die irische Kirche überwiegend monastisch geprägt (zahlreiche Klostergründungen, Mönche, Äbte und einzelne Äbtissinnen geben kirchlich den Ton an)
  • Mönche sind dank ihrer Ausbildung (Gelehrsamkeit, Wissenschaft und Bücher sind den irischen Mönchen wichtig) spirituelle Führer und Konkurrenten, später Nachfolger der Druiden.
  • Irische Mönchsregeln betonen auch die Askese, dh die Beherrschung der auf die Aussenwelt gerichteten Begierden (in der indogermanischen Kultur eine lange Tradition, in Indien spielten die Yogin eine wichtige Rolle). Die Idee besteht darin, dass der Asket durch Versagung körperlicher Bedürfnisse und Kasteiung seine inneren Kräfte derart bündeln könne, dadurch zu besonderen Erkenntnissen komme und natürliche Gesetze durchbrechen könne. Vom Asketen werden Heilkräfte, seherische Gaben und Einflussnahme auf die Natur erwartet
  • Besonderheiten des irischen Christentums:
    . Abteien und Klöster statt Bistümer
    . andere Berechnung des Ostertermins (gleich wie die orthodoxen Ostkirchen)
    . Ohrenbeichte statt öffentliches Sündenbekenntnis vor der ganzen Gemeinde
    . anderes Taufritual – nebst dem Kopf werden auch die Füsse mit Wasser benetzt
    . druidische Tonsur (von Ohr zu Ohr, Rasur des Vorderkopfes) statt kreisrunde Tonsur
  • Klöster sind untereinander verbunden und wachsen zum Teil zu Klosterstädten mit mehreren Tausend Bewohnern heran. So grosse Orte gibt es im Profanbereich nicht. In den Klöstern findet die in Irland wichtige Sippenstruktur, die für Schutz und Rechte ihrer Mitglieder sorgt, ihre Fortsetzung.
  • Die Klöster entwickeln sich zu religiösen, kulturellen, schulischen, wirtschaftlichen und seelsorgerischen Zentren der Insel. In den Klöstern wird eifrig gelehrt, gelernt und geforscht, mit höchster Kunst und Sorgfalt werden Bücher abgeschrieben und verziert.
  • Peregrinatio: eine Besonderheit des irischen Mönchstums ist die Peregrinatio pro Christo, dh das Verlassen der Heimat für Christus. Dahinter steht die Idee, dass der Christ auf dieser Welt ein Fremdling sei, denn die eigentliche Heimat, das Ziel der Reise durchs Leben, sei das Jenseits, das Heimkommen zu Christus im Himmel.
    Im alten Irland ist  jemand schutz- und rechtlos, wenn er das Gebiet der eigenen Sippe verlässt. Es gibt nun Mönche, die genau diese Art von Askese, die freiwillige Verbannung auf sich nehmen und in abgelegenen Einöden Einsiedeleien gründen. Man nennt dies „grünes Martyrium“. Da jedoch in Irland diese freiwillig Verbannten den gleichen Schutz geniessen wie ein König oder Bischof, ist es keine eigentliche Verbannung mehr, keine Selbstentsagung. Aus diesem Grunde verlassen andere Mönchsgruppen Irland und ziehen als Vogelfreie in die Fremde. Sie suchen das sog. „weisse Martyrium“. Für die Heimweh-geplagten Iren gilt dieses freiwillige Exil als heroischer Akt.
  • Der erste irische Abt, der mit einer Mönchsgruppe im Sinne der Peregrinatio pro Christo Irland für immer Richtung Kontinent verlässt, ist Kolumban der Jüngere (543-615). Er lebt jahrelang im Kloster Bangor (gegründet um 558, eines der bedeutendsten geistigen Zentren Irlands). Mit 12 Gefährten, darunter Gallus, verlässt der etwa 50-jährige Irland.
  • Auf Wunsch des fränkischen Königs Childebert II. lässt sich Kolumban im ehemaligen Burgund nieder und gründet in den Vogesen drei Klöster: Annegray, Luxeuil, Fontaine.
  • In Gallien gibt es im späten 4. Jh bereits Klöster, doch wie die Bischofssitze Galliens sind sie vorab eine Domäne der einheimischen, romanisierten gallischen Oberschicht, die den wenig gebildeten neuen fränkischen Oberherren zunächst verschlossen sind. Das irische, ausserhalb der Bischofsgewalt stehende Klostermodell Kolumbans durchbricht diese romanisch geprägte kirchliche Struktur. Umgehend strömen denn auch die Söhne fränkischer Adliger in Kolumbans Klöster und werden hier Mönche oder erfahren eine Ausbildung. Mit den neuen Klöstern emanzipiert sich der fränkische Adel von den hergebrachten romanischen Strukturen, weshalb er sie nachhaltig unterstützt.
  • Dank der von Kolumban begonnenen iroschottischen Mönchsbewegung werden im 7. Jh fast 330 Klöster vor allem im Norden des Frankenreiches neu gegründet.
  • Die Verdienste der bücherbegeisterten, gelehrten irischen Mönche liegen in der Bewahrung der Schriftlichkeit und der Tradition der antiken Literatur im frühmittelalterlichen Europa.
  • Klosterregel von Kolumban (zeitweise verbreiteter als die Regel von Benedikt):
    . zuoberst steht die Demut, die sich zB im Gehorsam des Mönchs gegenüber dem Vorgesetzten äussert
    . von den Mönchen wird geistige Konzentration erwartet
    . sie sollen einen bescheidenen Lebensstil pflegen
    . Verzicht auf persönlichen Besitz
    . keusch leben
    . karge Mahlzeiten
    . Schweigen zugunsten der inneren Sammlung und Meditation
    . Gebet und geistige Tätigkeiten (Studium, Lektüre und Schreiben)
    . Arbeit in Landwirtschaft, Bau, Krankenpflege, Betreuung von Gästen, Bildung
  • Menschen kommen in die Klöster und suchen geistliche Unterweisung, Rat, Heilung, Nahrung, kaufen und verkaufen Waren
  • Die Botschaft der Mönche besteht weniger in Worten als im Vorleben der christlichen Botschaft und mit ihrem landwirtschaftlichen Wissen, der Erziehung des Adels und den praktischen sowie geistlichen Diensten decken sie konkrete Bedürfnisse der Menschen ab. Das Beispiel führt die Bevölkerung zum Christentum.
  • Nach fast 20-jährigem Wirken werden Kolumban und seine Mönche ausgewiesen, weil er die illegitimen Söhne und Enkel des Königs Theuderich II nicht segnen will (und wohl auch auf Drängen der Bischöfe).
  • Rückfahrt nach Nantes, Strandung des Schiffes, Rückkehr via Soissons und Paris nach Metz. König Theudebert II heisst ihn willkommen und schickt ihn mit einem Missionsauftrag und einem Schutzbrief zu den mehrheitlich heidnischen Alemannen und Keltoromanen am östlichen Rand seines Reiches. Ziel: bessere Integration ins fränkische Reich.
  • Damit verwandelt sich die ursprünglich rein spirituelle Pilgerschaft in einen Missionsauftrag. Die Mönchsgruppe zieht deshalb rheinaufwärts in die heutige Schweiz.
  • Via Zürich (alte Römersiedlung Turicum) gelangen sie dem See entlang nach Tuggen.
  • Um die Ohnmacht der heidnischen Götter zu beweisen stecken sie die Tempel in Brand und vernichten die heidnischen Heiligtümer, weshalb ihnen nach dem Leben getrachtet wird, was sie zur Flucht veranlasst.
  • Via Ricken und Toggenburg gelangen sie nach Arbon (ebenfalls römische Siedlung Arbor Felix). Dort treffen sie auf eine christliche Gemeinde und den Priester Willimar. Dieser rät ihnen, sich im ehemals römischen, nun zerfallenen Ort Bregenz, niederzulassen.
  • Auch hier verderben sie es mit der Bevölkerung mit ihren handfesten Zeugnissen der Ohnmacht der heidnischen Götter und werden ebenfalls vertrieben (2 Mönche werden getötet).
  • 612 verlässt Kolumban fluchtartig Bregenz und wandert rheinaufwärts über die Alpen nach Italien ins Langobardenreich. Der dortige König Agilulf ist von Kolumban so angetan, dass er zum Katholizismus konvertiert und ihm Bobbio in einem Apennintal in der Provinz Piacenza eine Stätte zur Errichtung eines Klosters zuweist. Die Abtei San Colombano wird berühmt für ihr Skriptorium und ihre reiche Bibliothek, zu der auch bedeutende irische Handschriften gehören.
  • 615 stirbt Kolumban mit etwa 75 Jahren in Bobbio.
  • Gallus ist 612 fieberkrank/rebellisch in Bregenz zurückgeblieben, nach Arbon zurückgefahren und hat sich mit Willimar getroffen. Gemeinsam suchen sie für Gallus einen Platz für den Rückzug und finden ihn an der Steinach, im heutigen St. Gallen. 640 stirbt Gallus etwa 95-jährig.