Pilgern als Übergangsritual

unterwegs am Ufer des Doubs kurz nach Besançon
Pilgern als Übergangsritual
Ein Pilgerbericht 8.-25. Mai 2025
Ich lebe gerade in einer Zeit der Veränderungen. Wie auf einer Wanderung am Übergang von der Weide in den Wald. Oder von der Alpwiese zum Schotterhang. Oder vom Teerweg zum Wanderpfad. Eine neue Arbeitsstelle und ein neuer Wohnort und viele neue Menschen warten auf mich. Also mache ich mich auf den Weg, um den Übergang zu ergehen.
Von Luxeuil nach Dole
Ich starte in Luxeuil und werde gleich zu Beginn intensiv in das reichhaltige kolumbanische Erbe eingeführt. Das unscheinbare Provinzstädtchen hat überraschend viel Kultur zu bieten. In den kommenden acht Tagen folge ich bis Dole dem Weg, den Kolumban vermutlich im Jahr 610 mit seinen irischen Mitbrüdern beschritt, nachdem er sich mit König Theuderich und dessen Grossmutter Brunichild überworfen hatte und eigentlich nach Irland zurückreisen sollte.
Ich bin allein unterwegs und täglich wird mir mindestens eine überraschende Begegnung geschenkt. Da ist eine Frau, mit der ich ein paar Hundert Meter des Weges teile und die schon lange davon träumt, den Kolumbansweg zu gehen. Oder ein junger Uhrmacher mit Motorrad bei einer Wallfahrtskapelle, zwei Frauen unterwegs zum Stechen von wildem Spargel, ein deutscher Auswanderer oder ein Junge beim Fischen im Doubs.
Etwa drei Viertel aller Wegabschnitte sind gepflastert, anfänglich sogar noch parallel zu einer Autobahn. Nach drei Tagen komme ich bei Baume-les-Dames an den Doubs und der Weg wird plötzlich gebirgig, mal auf Jurahügeln hoch über dem Doubs, mal in der Tiefe dem Fluss entlang. Kurz vor Besançon treffe ich auf den einzigen Pilger in diesen Tagen, allerdings ist er unterwegs auf der Via Francigena.
Nach acht Tagen erreiche ich das malerische Flussstädtchen Dole, von wo aus ich nachhause zu einem Familienfest fahre.
Vom Malojapass bis Lecco
Dieser Unterbruch gibt mir die Gelegenheit, die zweite Etappe in einer ganz anderen Gegend zu starten. Diesmal wandern wir zu zweit vom Malojapass los Richtung Norditalien. Das italienische Kartenmaterial von open source map ist bedeutend weniger zuverlässig als in Frankreich und wir suchen mehrmals den guten Weg (auch wenn für Pilger:innen jeder Weg ein Pilgerweg ist…). Dafür stossen wir schon gleich nach der italienischen Grenze täglich auf etwa zwei grosse Kolumbanswegweiser mit detaillierten Wegbeschreibungen.
Das Bergell ist ein idyllisches Tal mit Wasserfällen und Kapellen und schönen Wegen und Chiavenna ein geschichts- und kulturträchtiger Ort. Der Weg durch die Ebene bis zum Comersee ist schlicht langweilig, erst ab Colico werden die Wege wieder reizvoll, mit manchmal umwerfenden Aussichten auf See und Berge. Für die vorletzte Etappe vor Lecco sollte man ab Bellano auf jeden Fall die obere Bergvariante wählen. Die 800 Höhenmeter werden mit einem pittoresken Bergdorf und zahlreichen Aussichtspunkten belohnt.
Sowohl in Frankreich wie in Italien musste ich in manchen Orten einen grösseren Aufwand betreiben, um überhaupt ein Bett zu finden, Reservationen im Voraus waren wohl nötig gewesen. Der Kolumbansweg ist noch so jung, dass er keine durchgehende Unterkunftsinfrastruktur aufweisen kann. Die Franche-Comté ist eine sehr einsame Gegend mit wenigen Herbergen und am Comersee waren in der Vorsaison viele Hotels noch nicht offen.
Diesen noch jungen Pilgerweg zu entdecken passt perfekt zu meiner Übergangszeit. Ich kann Pilgern als Transformationsritual nur empfehlen!
(ausführlicher Reisebericht unter: Pilgern als Übergangsritual; hilfreiche Informationen: Via Columbani)
Bruno Fluder, Pilgerseelsorger St. Gallen